Wut, ein heikles Thema? Für mich schon, denn immer wieder hat mich meine Wut in unangenehme Situationen gebracht. Häufig fühlte ich mich ihr hilflos ausgeliefert und versetzte mich anschließend in Scham, weil ich mich mit meinem eigenen Verhalten nicht identifizieren konnte.
Die Blogparade von Anita Griebl „Aufgebraust: Welche Strategie verwendest du, um deine Wut abzubauen?“ führt mich dazu, mich diesem Thema zu widmen.
Ist Wut ein negatives Gefühl?
In den meisten Fällen wird Wut als ein negatives Gefühl eingestuft. Wut soll man nicht haben, und wenn, dann wenigstens nicht zeigen.
Wut macht die Menschen unberechenbar. Man empfindet sie als angriffslustig und gefährlich. In ihrer Wut sagen oder tun Menschen häufig etwas, was sie später bereuen. Mitunter verletzen sie andere Menschen emotional, weil sie ihre Worte nicht mehr mit Bedacht wählen, sondern ungefiltert rauslassen. Manche Menschen werden auch handgreiflich.
Schauen wir in ein wütendes Gesicht, so hat es wenig Liebenswertes. Ein wütender Mensch schafft mit seiner Mimik Distanz!
Das alles sind die Gründe dafür, warum wir gemeinhin die Wut in den negativen Bereich schieben.
Dabei hat sie durchaus positive Aspekte. Wäre das nicht der Fall, so gäbe es wohl gar keine Wut. Dann wäre so im Rahmen der Evolution bereits ausgemustert.
Einige der oben genannten Aspekte zeigen bereits den positiven Charakter auf:
- Distanz schaffen
- Abwehr
Wut positiv nutzen
Wut schenkt uns eine ungeheure Energie. Sie senkt unsere Hemmschwelle und eventuell schon lange Unausgesprochenes und Verdrängtes kommt nun endlich an die Oberfläche. Solange wir unsere Wut noch kontrollieren können und sie nicht nutzen, um andere zu verletzen – ob mit Worten oder Taten – wirkt es sich für uns letztendlich positiv aus, endlich einmal NEIN oder STOPP zu sagen.
Jetzt liefert uns die Wut die Power, um etwas zu verändern, um endlich ins Tun zu kommen und erste Schritte zu gehen.
Gefahren von Wut
Ich hatte einen jähzornigen Vater und spüre selbst immer wieder solche Attacken. Dann ist es wie ein Vulkan, der schon lange brodelt und ganz plötzlich zum Ausbruch kommt.
Das kann zwei Ursachen haben:
- Wir wurden gerade an einem ganz wunden Punkt getriggert.
- Oder wir haben die Wut zu lange unterdrückt.
Wir werden getriggert
Jede von uns hat in ihrer Kindheit Situationen erlebt, in denen wir uns hilflos, ausgeliefert, verachtet, nicht geliebt gefühlt haben – um nur einige ungute Gefühle zu nennen. Diese „wunden Punkte“ in uns werden im Laufe unseres Lebens immer mal wieder berührt, durch ähnliche Situationen oder durch Menschen, die sich in einer Art verhalten oder in einer Art reden, wie wir es mit dem vergangenen Erlebnis verbinden. Dass uns dies in der Regel nicht bewusst ist, ist das Vertrackte an der ganzen Sache.
Wir reagieren unangemessen, meistens für unser Gegenüber unverständlich und unsere Wut bekommen Menschen ab, die im Grunde damit gar nichts zu tun haben. Bleibt das unreflektiert, können solche Situationen unsere Beziehungen arg belasten oder auch zerstören.
Verdrängte Wut
Manche von uns sind Meister darin, ihre Wut zu unterdrücken. Nach außen erscheinen sie immer ruhig und gefasst, auch wenn es innerlich in ihnen tobt.
Das geht selten auf Dauer gut, denn die Wut staut sich auf. Wie ein Kessel, der unter Dampf steht, muss der Dampf irgendwo raus. Halten wir aber den Deckel fest geschlossen, dann explodiert der Topf über kurz oder lang.
So wirkt aufgestaute Wut letztendlich verheerender als ihr immer wieder Raum zu geben.
Bei sehr kontrollierten Menschen, bei der es niemals zu einer solchen Explosion kommt, richtet sich die Wut mitunter gegen sie selbst. Der Körper oder auch der Geist erkrankt.
Unkontrollierte Wut kann großen Schaden anrichten
Eine Explosion richtet Schaden an. Ist dir das schon mal passiert? Dann weißt du, wovon ich rede. Sie verleitet dich dazu, Dinge zu sagen oder auch zu tun, die du später bereust.
Große Wut macht blind und taub. Du bist so sehr mit dir selbst beschäftigt, dass keine sinnvolle Kommunikation mehr möglich ist. Was der andere sagt, kommt nicht mehr an oder stachelt dich noch mehr an. Schnell gerät man in einen sinnlosen verbalen Schlagabtausch….
Mitunter werden Menschen gewalttätig. Sie werfen Gegenstände auf den Boden oder gegen die Wand, knallen Türen. Am schlimmsten aber ist es, wenn dich die Wut dazu verleitet, anderen Menschen weh zu tun, sie gar zu schlagen.
Falls du noch keine Strategie hast, um mit deiner Wut so umzugehen und sie im Zaum zu halten, solltest du dich unbedingt mit möglichen Maßnahmen vertraut machen und eine für dich passende antrainieren.
Meine Strategie zur Vermeidung von Eskalation
Ich komme aus einem Elternhaus, in dem Schreien an der Tagesordnung lag. Schläge gehörten in den 60er Jahren noch zu einer guten Kindererziehung hinzu, so dass sich wütende Eltern an ihren Kindern noch ohne schlechtes Gewissen abreagieren konnten. Das führte dazu, dass es für mich lange normal war, meine Wut einfach rauszulassen.
Mittlerweile habe ich ein gutes Gespür für meine Wut entwickelt. Fängt es in meinem Bauch an zu brodeln, versuche ich auf Distanz zu gehen. Zuerst gehe ich im Gespräch auf eine Meta-Ebene (ich teile dem anderen mit, dass ich gerade wütend werde und das Thema besser so stehen lassen möchte), um so Entspannung in die Kommunikation zu bringen. Hilft das nicht und mein Gegenüber beharrt weiterhin auf Fortsetzung, breche ich das Gespräch ab, indem ich das Weite suche oder aber gar nicht mehr reagiere.
Gibt es keine Möglichkeit, der Situation räumlich zu entfliehen, lege ich eine innere Distanz zwischen uns. Da ich Lehrerin war, gab es in der Schule immer wieder kritische Momente. Damals kannte ich diese Methoden noch nicht und bin immer mal wieder „ausgerastet“. Heute würde ich
- einige Schritte zurücktreten, mich eventuell ganz abwenden
- mehrmals tief durchatmen
- NICHT lächeln (anstatt zu entspannen, liefert das meistens mehr Zunder)
- schweigen und keine Provokation annehmen
- auf die Meta-Ebene wechseln
- das, was da gerade geschieht, nicht persönlich nehmen, denn in der Regel hat mein Gegenüber gerade mit seinen eigenen Triggerpunkten zu kämpfen. Mir also innerlich genau das sagen.
- eine Frage stellen, zum Beispiel: Was schlägst du vor, was wir jetzt tun?
Weitere Möglichkeiten für den Abbau von Wutgefühlen
Die folgenden Strategien beschreiben alle Tätigkeiten oder Maßnahmen, die ich empfehle, wenn du allein bist:
- in ein Kissen schreien
- laut singen
- einen Ball kneten (es gibt extra Wutbälle) – der ist auch in Gesellschaft hilfreich!
- in ein Kissen boxen
- Joggen oder zügig wandern
- Ein Beet umgraben oder Unkraut zupfen
- Schreiben: Einen Stift und Blatt Papier nehmen und alles aufschreiben, was mir durch den Kopf geht. Ungefiltert, ganz spontan, ohne den Stift abzusetzen.
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Herzlichen Dank, liebe Heidrun, für diesen sehr wertvollen und informativen Blogartikel zu meiner Blogparade. Ich finde so schön, wie du die Alltagswut beschrieben hast und dachte selbst an meine Kindheit. Mir ging es ähnlich und habe eine Strategie entwickelt, um gut durch zu kommen. Doch was uns in der Kindheit belastet hat, muss im Erwachsenenalter nicht mehr getragen werden. Das können wir mit deinen Strategien lösen.
Herzliche Grüße von Anita