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Was ist Gewaltfreie Kommunikation?

So häufig scheitern Konfliktgespräche aufgrund der gewählten Worte. Gewaltfreie Kommunikation ermöglicht es, Konflikte voller gegenseitiger Empathie zu behandeln, freundlich einander zugewandt anstatt den anderen mit Worten zu attackieren und sich gegenseitig Schuld zuzuweisen. Es geht nicht ums Rechthaben wollen, sondern um eine Lösungsfindung. So dienen Konflikte dem gegenseitigen Wachstum und einer tieferen Verbundenheit.

Begriffsklärung

Um diesen Begriff zu verdeutlichen, nehme ich den Umweg, indem ich erstmal vom Gegenteil spreche: Kann eine rein verbal geführte Kommunikation gewalttätig sein? Oder gehen die Kontrahenten dabei tatsächlich mit Fäusten aufeinander los? In Folge einer Auseinandersetzung ist das durchaus möglich. Zuvor aber erfolgt ein rein verbaler Angriff, der das Gegenüber verletzt. Dies kann wie eine Ohrfeige oder wie ein Schlag in die Magengrube empfunden werden und tut mindestens genauso weh.
Das hast du sicher auch schon erlebt: Jemand sagt etwas zu dir und es trifft dich in deinem tiefsten Innern. Dies zieht mitunter auch eine körperliche Reaktion nach sich: Du weichst zurück oder gehst in eine Angriffs- bzw. Verteidigungsstellung. Dann folgt in den meisten Fällen ein verbaler Schlagabtausch, eine Lösung des Konflikts in weite Ferne rücken lässt. Im Gegenteil, häufig vertieft sich der Graben zwischen den beteiligten Personen. Diese Art der Kommunikation bezeichnet Rosenberg als „lebensentfremdend“.

In der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) wird ein Angriff auf seinen Gesprächspartner vermieden. Die GFK hat die Klärung eines Konflikts zum Ziel und nicht den Schlagabtausch. Hier geht es nicht ums Rechthaben, sondern um eine Lösung. Die Empathie steht im Vordergrund und nicht der Wunsch zu verletzen.

Wer war Marshall B. Rosenberg?

Marshall Rosenberg war ein amerikanischer Psychologe, der das Konzept der GFK entwickelt hat.
Geboren am 6.10.1934 in Ohio, hat er in seiner Kindheit viel Gewalt erfahren aufgrund seines jüdischen Nachnamens und gelernt, dieser mit Gewalt zu begegnen. Auch hat er im Alter von 9 Jahren Rassenkonflikte an seinem damaligen Wohnort Detroit hautnah miterlebt, bei denen 30 Menschen ums Leben kamen. 1961 promovierte er, wobei seine Doktorarbeit von Gandhis Thesen zur Gewaltfreiheit beeinflusst war.
Rosenberg verstand die GFK als eine Methode zur Verbesserung des zwischenmenschlichen Miteinanders. Er war überzeugt davon, dass die Empathie sehr stark durch die Art und Weise unseres Sprechens gesteuert wird.
Mehr als drei Jahrzehnte hielt er Schulungen und Workshops überall auf der Welt zur Gewaltfreien Kommunikation ab. Am 7.2.2015 ist er in New Mexico gestorben.

Um das Prinzip der GFK zu erläutern benutzt Rosenberg die Giraffe als Sinnbild für die GFK und den Wolf als Stellvertreter für die lebensentfremdende Kommunikation. Sehr oft macht er in Rollenspielen die Unterschiede auf eine anschauliche Art und Weise deutlich.

Lebensentfremdende Kommunikation

Rosenberg versteht darunter eine Kommunikation, die die Verbindung zwischen Menschen blockiert und Gewalt mit sich bringt, in physischer oder psychischer Form. Folgende Merkmale schreibt er dieser Form der Konfliktbesprechung zu:

  • Das (moralische) Urteilen über seine(n) Gesprächspartner(in), das Einteilen in die Kategorien: gut/böse, gerecht/ungerecht, gesund/krank. Sehr häufig geschieht eine Verurteilung durch die Benennung von Pseudogefühlen. Hierunter versteht man Bewertungen, die im Mantel von Gefühlen daher kommen, zum Beispiel: „Ich fühle mich provoziert, gekränkt, vernachlässigt“. Diese Formulierungen implizieren implizieren die Anklage meines Gegenübers als Täter.
  • Der Vergleich
  • Das Leugnen von Verantwortung für meine Gefühle und Handlungen. Beispiel: „Ich fühle mich so, weil du das und das gemacht hast.“
  • Das Stellen von Forderungen anstelle der Formulierung einer Bitte. Erlaubt die Bitte auch eine Ablehnung und damit das Suchen nach einer weiteren Lösung, zieht eine Forderung eine Sanktion nach sich.

Wählt man diese Formulierungen in seinen Worten, so nennt Rosenberg das „Wolfsprache“.

Die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation

Gewaltfreie Kommunikation läuft in den folgenden vier Schritten ab:

  • Beobachtung
  • Gefühl
  • Bedürfnis
  • Bitte

Marshall B. Rosenberg fasst diese Schritte in folgender Formulierung zusammen:
„Wenn ich A sehe, fühle ich B, weil ich C brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne D.“ Besonderer Augenmerk wird hierbei darauf gelenkt, die Beobachtung von der Bewertung bzw. Interpretation zu trennen:

Beobachtung

Mit Beobachtung ist gemeint, sich auf den reinen Sachverhalt einer Situation zu beziehen. Dabei sollte man eine konkrete Situation benennen, und – ganz wichtig – Worte wie „immer“, „ständig“, „grundsätzlich“ usw. zu vermeiden. Hier sind jegliche Deutungen oder Diagnosen fehl am Platz.

Gefühl

Bei der Benennung seines Gefühls ist darauf zu achten, nicht ins Pseudogefühl abzurutschen, sondern bei den fünf Grundgefühlen zu bleiben: Freude, Trauer, Angst, Wut, Scham. Diese sind im Körper wahrnehmbar. Solltest du damit Schwierigkeiten haben, so kann diese Wahrnehmung geschärft und trainiert werden. Melde dich gern bei mir, wenn du dabei Unterstützung brauchst.

Bedürfnis

Hinter jedem Gefühl steckt ein Bedürfnis: Zum Beispiel bin ich traurig, weil mein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit nicht erfüllt wird. Oder ich bin wütend, weil mein Bedürfnis nach Achtsamkeit verletzt ist. Wichtig ist es, zuerst mein Gefühl zu benennen und im zweiten Schritt das verletzte Bedürfnis. Der GFK-Navigator bietet dafür eine Hilfestellung. Mein Gefühl ist dabei der Indikator für ein unerfülltes Bedürfnis. Die Nennung des Bedürfnisses ist von Bedeutung, weil sie Hinweis auf Lösungen gibt, die für alle Beteiligten passen.

Bitte

Im letzten Schritt formuliert man eine Bitte. Hier wird unterschieden zwischen „Bitte“ und „Wunsch“. Ein Wunsch ist sehr viel vager als eine Bitte, die sich auf eine Handlung im Jetzt bezieht, während die Erfüllung eines Wunsches in der weiteren Zukunft liegt. Häufig bezieht sich die Formulierung eines Wunsches auf einen Zustand (Ich wünsche mir, dass du respektvoll bist). Eine Bitte ist konkreter und bezeichnet eine Handlung (Ich bitte dich, mir eine Nachricht zu schicken oder anzurufen, wenn du dich mehr als 15 Minuten verspätest). Beim Aussprechen der Bitte empfiehlt Rosenberg sich einer positiven Handlungssprache zu bedienen. Das bedeutet, dass man nicht davon sprechen soll, was man NICHT mehr möchte, sondern das auszusprechen, was man sich stattdessen wünscht.
Ein Beispiel:
NICHT: Ich bitte ich, dein schmutziges Geschirr nicht mehr länger in der Spüle stehen zu lassen,
SONDERN: Ich bitte dich, dein schmutziges Geschirr sofort nach der Benutzung abzuspülen bzw. in die Spülmaschine zu räumen.

Hält man sich an diese Form der vier Schritte, um seinen Konflikt zu verdeutlichen, dann wendet man – laut Rosenberg – die „Giraffensprache“ an.

Was bewirkt Gewaltfreie Kommunikation?

Wie häufig scheitern wir in unserer Kommunikation? Vom dringenden Wunsch beseelt, eine Situation endlich so zu ändern, dass unser Bedürfnis nicht ständig verletzt wird, stürzen wir uns in den verbalen Angriff, sind am Ende emotional tief aufgewühlt, haben aber nichts bewirkt. Beim nächsten Gespräch wird es umso schwieriger, diese Situation zu klären, da der Partner sich sofort an die letzte Auseinandersetzung erinnert und sich unter Umständen sofort innerlich verschließt.
GFK nur dann möglich, wenn alle Beteiligten sich darauf einlassen und mit den Regeln vertraut sind. Ist das der Fall, bewirkt GFK, dass es nicht mehr ums Rechthaben geht. Ganz losgelöst davon, ob ich selbst die Schilderung meines Gegenübers als gerechtfertigt, nachvollziehbar, etc. empfinde, ist das Gefühl, das in dieser Person ausgelöst wird, unangreifbar. Dieses Gefühl ist da und kann nicht negiert werden. Vorausgesetzt, dass ich ein Interesse an meinem Gegenüber habe, ist mir nicht daran gelegen, dass mein Verhalten dazu führt, dass er/sie sich schlecht fühlt. Das bedeutet NICHT, dass ich verantwortlich bin für dieses Gefühl (das ist wieder ein neues Thema – niemand kann mir ein Gefühl machen)!
Gewaltfreie Kommunikation ermöglicht es, Konflikte anzusprechen und mit Empathie für mein Gegenüber zu behandeln. In der Regel findet man gemeinsam eine Umgang, der in Zukunft zu einem besseren und rücksichtsvolleren Miteinander führt.

Die Grenzen der Gewaltfreien Kommunikation

GFK funktioniert nur dann, wenn sich Partner in der Kommunikation genau zuhören. Spricht der eine Partner von seinem Gefühl, dann ist es unerlässlich dieses Gefühl zu akzeptieren, ohne sofort wieder in eine Interpretation zu verfallen. Sagt mir jemand, dass er traurig oder wütend ist, kann ich das nicht in Frage stellen – es ist Fakt.

Ebenso ist es unabdingbar zu beschreiben, was man mit einer Bitte meint.
Es reicht nicht zu äußern: „Ich wünsche mir, dass du mich liebst.“ Denn: Was versteht mein Partner unter Liebe? Wann, also in welcher konkreten Situation, fühlt er sich tatsächlich geliebt? In welcher konkreten Situation fühlt er sich nicht geliebt? Erst dann eröffnet sich für den anderen die Möglichkeit zu erkennen, dass er unter Umständen eine ganz andere Definition von Liebe hat. Erst dann ist es möglich zu klären: „Was brauchst du, damit du dich geliebt fühlst?“ Im Folgenden kann der Partner entscheiden, ob es ihm möglich ist, sein Verhalten an meine Bedürfnisse anzupassen. Ist ihm das aber nicht möglich, so kann nach Alternativen bzw. Kompromissen gesucht werden.

GFK erfordert die Bereitschaft, in sich hinein zu spüren und den Mut, sein Gefühl tatsächlich zu benennen. Je nachdem wie große Ängste dahinter stehen, ist das für den Einzelnen nicht immer möglich. Dann erfordert es Zwischenschritte und Arbeit an der Persönlichkeit. Dies geht mitunter nur, wenn man sich Hilfe von Außen dazu holt, um die eigentliche Ursache seiner Ängste zu ergründen. Häufig liegen sie in unserer Kindheit verborgen. Dort haben wir ein bestimmtes Verhalten gelernt, weil es damals überlebenswichtig für uns war. Heute ist uns das häufig nicht bewusst, trotzdem steuert es noch immer unser Verhalten und führt dadurch zu einer Störung unserer Kommunikation. Hier ist eine Beschäftigung mit dem inneren Kind sehr hilfreich.

Materialempfehlungen

GFK-Navigator, Drei Karten zur Identikation von Gefühlen und Bedürfnissen und Anleitung für eine Gewaltfreie Kommunikation
Barbara Leitner im Deuschlandfunk: Lange Nacht über Gewaltfreie Kommunikation
Jede Menge Beiträge von Vorträgen von auf You Tube.

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Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Due

    Hallo Heidrun,
    Ein sehr guter Beitrag! Ich habe im Kunsttherapiestudium darüber gelernt.
    Es wäre so wichtig, dies in der Schule gleich zu unterrichten. Schön, wie du deine Blogartikel schreibst!
    Liebe Grüße Sue

    1. Heideline

      Liebe Sue, vielen Dank für deinen positiven Kommentar. Da bin ich ganz deiner Meinung, dass GfK ein wichtiges Thema für Schulen ist.
      Ganz liebe Grüße zurück Heidrun

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