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Was versteht man unter Pseudogefühlen?

Sind Pseudogefühle etwas, was ich mir nur einbilde? Sind sie nicht wahr?
Wir verfügen über eine Vielzahl von Begriffen, mit denen wir unsere Gefühle zum Ausdruck bringen. Schließlich sind sie die Basis unserer zwischenmenschlichen Beziehungen und unseres Handelns.
Besonders in der Kommunikation spielen Gefühle eine wesentliche Rolle, sie können diese positiv, aber auch ausgesprochen negativ beeinflussen. Und damit kommen wir zu den Pseudogefühlen, auf die wir häufig zurückgreifen, während wir unsere wahren Gefühle verschweigen.

Echte Gefühle

fünf Gesichter, die Emotionen in ihrer Mimik widerspiegeln
Gefühle sind in der Mimik erkennbar

Gefühle sind der Motor unseres Handelns. Sie machen unser Leben bunt und durch sie erleben wir eine tiefe Verbundenheit mit uns selbst. Echte Gefühle erleben wir auf rein physischer Ebene.

Metaphern wie „Schmetterlinge im Bauch“, „mir rutscht das Herz in die Hose“, „das treibt mir die Zornesröte ins Gesicht“, „es schnürt mir das Herz zusammen“ geben Hinweise, wo und wie wir die Gefühle empfinden. In der Regel spüren wir diese an unterschiedlichen Stellen. Manchmal wird uns heiß, mitunter kalt, der Herzschlag beschleunigt sich oder der Puls setzt aus usw…..

Alles, was wir fühlen, lässt sich jedoch auf fünf Grundgefühle reduzieren: Freude, Trauer, Wut, Scham und Angst.
Darüber hinaus gibt es sehr viele weitere Bezeichnungen bzw. Ausprägungen von Emotionen, die aber letztendlich alle auf diese fünf Hauptgefühle zurückgeführt werden können.

Zum Beispiel beschreiben folgende Ausdrücke alle ein Gefühl der Wut: Aggressivität, Hass, aufgewühlt, Verachtung, Rachsucht, empört.
Dagegen liegen Freude folgende Bezeichnungen zu Grunde: Glücklich, zufrieden, stolz, erfüllt sein, euphorisch, zufrieden, Dankbarkeit, Vertrauen, Liebe.
Fühlen wir Angst, benennen wir es auch feige, besorgt, misstrauisch, entmutigt, vorsichtig, eingeschüchtert, entsetzt, schockiert.
Traurigkeit drückt sich aus in einsam, verletzt, deprimiert, enttäuscht, unglücklich.
Schuld, Reue, verletzte Würde fallen in den Bereich der Scham.

Man könnte diese fünf Hauptgefühle noch durch Ekel erweitern. Darauf verzichte ich hier, weil die genannten fünf diejenigen Gefühle sind, die uns hauptsächlich motivieren.

Was ist ein Pseudogefühl?

zwei streitende  junge Frauen
Ein verbaler Angriff

Der Begriff „Pseudogefühl“ wurde von Marshall B. Rosenberg und Erich Fromm begründet und findet in der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) Verwendung.
Hier handelt es sich um die Benennung eines Gefühlszustandes, der jedoch durch unsere Gedanken verfälscht wird. Ein Pseudogefühl enthält eine Interpretation infolge meiner individuellen Wahrnehmung, die jemand anderen dafür verantwortlich macht, für das, was ich fühle.
Hier ein Beispiel: Ich fühle mich nicht verstanden. Das enthält die Botschaft: Du verstehst mich nicht und impliziert die Aufforderung bzw. den Vorwurf an mein Gegenüber: Streng dich mehr an, hör richtig zu, du bist schuld, dass ich mich schlecht fühle usw..
Das eigentliche Gefühl dahinter aber ist Traurigkeit, weil ich mit meinen Worten nicht bei meinem Gegenüber ankomme. Das kann verschiedene Ursachen haben: Es kann sein, dass mein Gegenüber nicht zuhört, aber es kann auch sein, dass ich mich nicht verständlich ausdrücke.
Ein weiteres Beispiel: Ich fühle mich von dir provoziert. Diese Aussage impliziert, dass mein Gegenüber mich angreifen wollte. Das aber ist erstmal eine reine Annahme.
Das eigentliche Gefühl dahinter ist Wut. Wut darüber, dass mir nicht der nötige Respekt entgegengebracht wird.
Sehr häufig fühlen wir uns abgelehnt, verurteilt, ungeliebt usw….. Alles Pseudogefühle, hinter denen die Traurigkeit steht.
Die Gefahr lauert also darin, dass wir uns in eine Opferrolle begeben und unserem Gesprächspartner die Schuld zuweisen.

Wie unterscheide ich Pseudogefühle von echten Gefühlen?

Frau (nur der Oberkörper zu sehen) mit Hand auf der Brust
Bei sich selbst bleiben. Von den eigenen Gefühlen reden

So kann man „echte“ Gefühle von Pseudogefühlen unterscheiden:
Sagt man „Ich BIN…. traurig, wütend, ….“ handelt es sich in der Regel um die Benennung eines „echten“ Gefühls. Achtung: Es gibt, wie oben erwähnt, eine Unzahl differenzierter Ausdrücke für unsere Emotionen. Überprüfe also, welches Grundgefühl dahinter steckt. Bei

Drückt man sich aber so aus: „Ich empfinde es als….ungerecht, anmaßend…“ handelt es sich um ein Pseudogefühl. Ebenso weist uns die Formulierung von „Ich fühle mich…unverstanden, allein gelassen, hintergangen….“ häufig auf ein Pseudogefühl hin.
Es ist dabei sehr wichtig zu verstehen, dass mit der Formulierung beispielsweise von „Ich fühle mich hintergangen“ eine Interpretation des Verhaltens meines Gegenübers verknüpft ist. Ich deute sein/ihr Verhalten, seine/ihre Äußerungen so, dass ich mich hintergangen fühle und impliziere eventuell sogar, dass diejenige Person bewusst so gehandelt hat. Dadurch wird in mir ein Gefühl von Traurigkeit ausgelöst.
Es ist ein Unterschied, ob ich sage: Ich bin traurig, weil das und das passiert ist (Achtung: hier unbedingt bei der reinen Beobachtung bleiben!) oder ob ich sage: Ich fühle mich hintergangen. Im ersten Fall wird mit ziemlicher Sicherheit die Frage gestellt werden: Was macht dich traurig? Im zweiten Fall wird wohl eher eine Verteidigung oder ein Gegenangriff die Antwort sein.

Bedeutung dieser Unterscheidung für die Gewaltfreie Kommunikation

Comoczeichnung Lowe und Giraffe beim Üben gewaltfreier Kommunikation
So gelingt gewaltfreie Kommunikation

In der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) geht es darum, weg von der Anklage zu kommen, ganz bei sich zu bleiben, bei den eigenen verletzten Gefühlen. Das verhindert, dass die angesprochene Person in eine Verteidigungshaltung gerät. Ein Angriff durch die Verwendung von Pseudogefühlen erzeugt als erstes immer Abwehr oder Gegenangriff. Das entspricht aber nicht dem, was man sich selbst wünscht und ist somit absolut kontraproduktiv.
So sollte man selbst sehr genau nachspüren, welches Gefühl vorherrscht und dieses benennen. Das erzeugt in der Regel bei meinem Gesprächspartner Offenheit, weil ich mich mit meinem wahren Gefühl zeige.
Im zweiten Schritt erst prüfe ich, welches Bedürfnis bei mir verletzt wurde. Ich bin traurig, weil ich mit meinen Worten nicht bei dir ankomme. Mein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Anteilnahme ist verletzt. Im letzten Schritt äußere ich eine Bitte: Ich wünsche mir von dir……..

Wie souverän bin ich im Umgang mit Pseudogefühlen

nachdenkliche Frau vor einer Baumsilhouette, die an ein Profil erinnert.
Zwei Gesichter, welches zeigt sich gerade?

Es hört sich jetzt vielleicht für dich so an, als ob ich schon alles von dem, was ich da erzähle, perfekt beherrsche. Dem ist bei weitem nicht so. Persönlichkeitsentwicklung ist ein lebenslanger Prozess und ich selbst rutsche immer wieder in die Falle der Pseudogefühle. Nicht nur, indem ich diese zum Ausdruck bringe, sondern auch indem ich sei bei anderen nicht auf Anhieb erkenne.
Daher ist es umso wichtiger, sich immer wieder aufs Neue damit auseinanderzusetzen. Jede Veränderung beginnt mit dem Wissen um einen Missstand. Erst dann kann ich meine Aufmerksamkeit darauf richten. In diesem Fall kann ich Pseudogefühle nur erkennen und benennen, wenn ich weiß, worum es sich dabei handelt und wie sie sich äußern. Darauf folgt eine aufmerksame Beobachtung der eigenen Wortwahl sowie auch der Wortwahl meines Gegenübers.
Das gelingt nicht immer, aber immer öfter. Und wenn es dann mal geklappt hat, dann kann ich mir auf die Schulter klopfen, denn dann habe ich einen wesentlichen Schritt hin zu einer wertschätzenden und gewinnbringenden Kommunikation gemacht.
Doch dazu mehr in meinem Folgeartikel zu Gewaltfreier Kommunikation.

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