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Mein aufregendster Moment

Tja, aufregende Momente, die gibt es viele in den letzten Jahren. Seit ich mich mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftige habe ich so einiges gemacht, bei dem ich meine Komfortzone verlassen habe:

  • 2019 bin ich den Jakobsweg gegangen.
  • Im selben Jahr war ich mit einer Freundin in Südafrika.
  • 2021 habe ich meine Anstellung als Lehrerin mit gekündigt, ohne bereits eine Alternative zu haben.
  • 2022 bin ich dem Aufruf der Kampagne „Body Positivity“ gefolgt und habe mich fast nackt mit 62 Jahren an einem Foto-Shooting beteiligt. Ohne zu wissen, welche Bilder später veröffentlicht werden, habe ich meine Einwilligung dazu gegeben. Auf der Vernissage ist mir dann doch das Herz in die Hose gerutscht…..
  • Ich habe mich auf einem Dating-Portal angemeldet.
  • 20022 war ich zum Probewohnen in einem Wohnprojekt.
  • Im April 2023 bin ich ganz spontan eine Woche mit einem Campingbus unterwegs gewesen.

Dass ich überhaupt darüber nachdenke, verdanke ich Tanja Rehmer, die in ihrer Blogparade fragt: Was war dein aufregendster Moment in den letzten 12 Monaten und was hast du daraus für dich mitgenommen?
Jetzt muss ich also entscheiden. Vielleicht klingt das beim ersten Lesen am Unspektakulärsten und doch hat mir genau das so einiges abverlangt: Eine Woche im Campingbus unterwegs! Und zwar ganz besonders im Moment der Entscheidung, aber auch unterwegs hat es mich immer wieder vor Herausforderungen gestellt.

Jetzt heißt es spontan sein, aber so richtig

Das wissen vielleicht die meisten nicht von mir oder hätten es nicht gedacht: Ich kann mich schwer entscheiden. Nicht umsonst hat meine ganze Beschäftigung mit Persönlichkeitsentwicklung mit einem Seminar zur Entscheidungsfindung begonnen. Und dann passiert mir das:

Am Abend des 21.April 2023 finde ich folgende Nachricht auf dem Messenger vor:
Hallo liebe Heidrun, ich habe von heute für eine Woche eigentlich einen Camper gemietet und kann ihn nicht wahrnehmen. Ist aber alles bezahlt, inklusive Hundepaket. Und jetzt kamst du mir gerade in den Kopf, ob du Lust hast, nächste Woche spontan zu reisen.
Einziges kleines „Problem“ ist, dass die Abholung (eigentlich heute) in Antwerpen erfolgen muss und die Abgabe in Hannover. #das ist Teil dieses Angebots.
Ich würde mich riesig freuen, wenn es nicht verfällt – let me know!

Ich kam gerade von einer Tagestour mit meinen Doko-Mädels zurück und war froh, alle viere von mir strecken zu können. Nach einem erlebnisreichen Tag war ich müde und geistig wenig flexibel…. Anstatt Hurra zu schreien, fühlte ich mich von diesem Angebot total überfordert. Zum einen wäre das ein Riesengeschenk, weil ich schon lange von einem Ausflug mit einem Camper zusammen mit meinem Hund geträumt hatte. Zum anderen eine auf den ersten Blick unmöglich in der Kürze der Zeit zu realisierende Herausforderung. Mein Blick auf die WetterApp kündigte Minusgrade an und herzlich wenig Sonne. Und wie sollte ich von Hannover mit Hund und meinem Gepäck dann wieder nach Hause kommen??? Also sagte ich schweren Herzens erstmal ab.

Raus aus der Komfortzone

Doch dann kam die Nacht und mit der Entspannung der Gedanke: Das muss doch zu schaffen sein – diese Chance kannst du dir doch nicht entgehen lassen. Da fällt dir so ein unglaubliches Angebot direkt vor die Füße und du lehnst es ab???

Am nächsten Morgen sieht alles tatsächlich ganz anders aus: Was habe ich zu verlieren? Der Wagen ist gebucht und bevor das Angebot komplett verfallen würde, wäre es doch schon gut, wenn ich nur ein paar Tage mal in die Eifel reisen würde. Also google ich nach einer Zugverbindung nach Antwerpen und schreibe meine liebe Nachbarin an, ob sie meine Hündin Sally für den Tag verwahren würde. Sofort sagt sie zu, ein Zug von Belgien nach Antwerpen ist schnell für 23 € gebucht, mein Auto kann ich dort auf dem Parkplatz erstmal stehen lassen.

Damit ist es entschieden: Ich wage es und springe raus aus meiner Komfortzone. Ich teile meinen Entschluss meiner Freundin mit und sie ist begeistert!

Die Challenge beginnt

Tatsächlich sitze ich um 11:00 im Zug nach Antwerpen. Ich kann es selbst noch gar nicht richtig fassen! Dass das alles so geklappt hat, ist ein Zeichen dafür, dass dies wirklich meine Chance ist – ein Wahnsinnsgeschenk des Lebens! Noch nie bin ich selbst einen Bus gefahren. Bei der Übernahme des Wagens gibt es ein paar Probleme, aber nach einigem Hin und Her und einer superkurzen Einführung sitze ich im Mercedes und mache mich auf die Rückreise nach Hause.

Mercedes-Camper

Um 17:00 bin ich da und ziemlich glücklich über diese gelungene Aktion. Jetzt muss ich nur noch eine Route planen und meine Sachen packen und mich mit dem Auto vertraut machen. Dazu nutze ich den Sonntag. Meine nächste Herausforderung: Da ich mit dem Zug zusammen mit dem Hund zurückreisen muss, kann ich das Auto nicht voll packen, sondern muss jedes Teil, das ich einpacke genauestens überlegen. Alles, was ich mitnehme, muss ich hinterher im Rucksack wieder zurück transportieren.
Also packe ich Lebensmittel und Hundefutter genau abgewogen ab, so dass alles nach der Woche aufgebraucht sein wird. Im Bus ist Bettzeug vorhanden, allerdings nur eine sehr leichte Decke. Deshalb kommt mein Sommerschlafsack mit, dazu eine Wärmeflasche, meine Fließjacke und eine sehr warme Wolljacke. Für die Nächte kommt noch meine Gymnastikhose dazu.

Am Montag habe ich zwei Online-Coachings, hab aber keinen Internetverstärker für unterwegs und weiß auch bis jetzt nicht, wie das funktioniert. Für die erste Nacht brauche ich demnach einen Campingplatz mit WLAN. Meine Entscheidung fällt auf den Westerwald. Wenn es zu kalt wird, kann ich zu mich zum YogaVidya-Zentrum dort flüchten. Das erste Ziel steht, ich weiß, wie alles funktioniert im Bus, die Sachen sind gepackt. Also kann es am nächsten Morgen losgehen!

Und wieder eine Herausforderung

Ich komme am Montag sehr viel später weg als geplant. Es dauert dann doch noch, bis alles im Bus an seinem Platz ist, alles mit dem Haus geregelt ist, die Nachbarn instruiert, die Termine verlegt und und und.

Aber zwei Stunden vor Beginn meiner Coachings bin ich da. Der Campingplatz ist sehr idyllisch, ich suche mir ein abgelegenes Plätzchen, direkt am Fluss, gehe noch mit Sally, packe dann meinen Laptop aus und versuche ins WLAN zu kommen. Mist, es klappt nicht. Jetzt wird es eng und mein Adrenalinpegel steigt. Aber ich habe ja dazu gelernt: Aufregung bringt jetzt gar nichts, schneller wird es dadurch nicht. Nach viel Hin und Her und mit Unterstützung der Betreiber des Platzes, sowie einem Standortwechsel habe ich endlich eine Verbindung, hoffentlich reicht sie für ein Zoommeeting.
Die Meeting verlaufen etwas holprig, meine Klienten sind aber sehr verständnisvoll, so dass alles noch klappt. Anschließend kann mein Urlaub so richtig beginnen!

Erfahrungswerte sammeln

Die erste Nacht im Bus: Ich klappe das Dach hoch und schlafe oben. So hat Sally unten Platz und ich muss nicht so viel kramen. Was ich dabei aber nicht bedenke, ist, dass die Isolierung mit aufgeklapptem Dach sehr zu wünschen übrig lässt. Es ist wie eine dünne Zeltwand da oben, mehr nicht. Das spüre ich in der Nacht – es wird ziemlich kalt! Von da an bleibt das Dach zu, ich schlafe unten und Sally muss sich halt etwas einschränken.

Ab jetzt nutze ich private Stellplätze für Camper, was viel mehr Spaß macht. Man kommt mit den Leuten in Kontakt, hat wunderbare Plätze auf den privaten Grundstücken. Besonders gut treffe ich es im Heuhotel an. Obwohl das Hotel geschlossen ist, darf ich mit meinem Camper dort stehen und sogar die Wirtsstube nutzen, in der ein Holzofen für wohlige Wärme sorgt. Das ist bei den Temperaturen genial – denn so kann auch ich dort meine Mahlzeiten einnehmen und sehr komfortabel wieder zoomen. Es ist nämlich so kalt, dass die Frontscheibe des Mercedes morgens mit Eisblumen bedeckt ist und das Wasser im Hundeschälchen gefroren ist.

Eisblumen an der Frontscheibe des Campingbusses

Meine Reiseroute

Meine Reise führt mich zuerst nach Niederbreitbach im Kreis Neuwied. Dort schlafe ich auf dem Campingplatz. Nach der Besichtigung von Limburg an der Lahn steuere ich meinen nächsten Stellplatz in der Nähe des kleinen Dorfes Halbs an. Dort bin ich ganz allein auf einem Platz am Rande eines ehemaligen Truppenübungsplatzes. Viel Natur und Auslauf für Sally, morgens frühstücken wir mit Pfauen und Hühnern.

Über Wetzlar fahren wir nach Breitau bei Sontra, wo wir im Heuhof Quartier finden. Sally genießt die Wärme am Ofen sehr! Hier bleiben wir zwei Nächte. Ausgedehnte Wanderungen zeigen uns die herrliche Landschaft, in der der Weißdorn gerade blüht. Endlich einmal besuche ich auf den Spuren meiner Schwiegereltern Eisenach und die Wartburg, die ich nur aus ihren Erzählungen kannte. Auch ihrem Heimatdorf Ifta, das im ehemaligen Sperrgebiet an der Zonengrenze liegt statte ich einen Besuch ab.

Hann. Münden ist mir noch einen Halt wert, bevor ich in Lehrte bei Hannover zum letzten Mal übernachte und am nächsten Morgen dann zu Fuß meinen Weg fortsetze. Na ja, nicht ganz. Die S-Bahn bringt mich nach Hannover, wo ich noch einige Stunden bis zur Heimfahrt überbrücke.

Die Rückfahrt

Und wieder eine Herausforderung: Mein letzter Stellplatz bietet keine Waschgelegenheit, was nicht so tragisch ist, aber auch kein WC… Aber auch das bekomme ich hin. Mein Körper passt sich direkt an und stoppt die Verdauung, gepinkelt wird dann einfach hinterm Bus.
Am nächsten Morgen muss der Wagen sauber abgegeben werden. Wie mache ich das mit dem Hund? Sobald der wieder einsteigt, fliegen Sallys Haare erneut durch die Gegend. Doch auch diese Hürde kriegen wir hin und bald bin ich in Hannover. Das Gepäck bleibt am Bahnhof und wir haben noch die Gelegenheit zu einem Sightseeing.

Am Samstagabend bin ich wieder daheim und bin überglücklich, dass ich mich für diese Fahrt entschieden habe. Das Reisen mit dem Bus hat mir sehr viel Freude gemacht. Es ist wunderbar, so beweglich zu sein und sein Bett immer dabei zu haben. Hoffentlich werden noch viele solcher Reisen folgen!

Was ich daraus für mich mitgenommen habe

Wie jedes Mal, wenn ich meine Komfortzone verlasse, ist der anfängliche Widerstand sehr groß. Am liebsten möchte ich das nicht tun. Ist die Verlockung aber so groß, dass ich es doch wage, dann habe ich es eigentlich noch nie bereut. Auch dieses Mal bin ich sehr dankbar dafür, dass ich mich getraut habe. Diese Fahrt hat mir so viele Erlebnisse beschert und mich innerlich wachsen lassen.
Ich weiß jetzt, dass ich viele Situationen meistern kann. Ich friere so ungern und habe es doch gut durch die Nächte geschafft. Wo ich sonst immer viel zu viel einpacke, habe ich es mich diesmal gut beschränken können. Immer wieder habe ich Hilfe bekommen und viele nette Menschen getroffen.

Einmal mehr habe ich erfahren, dass etwas möglich geworden ist, was ich zuerst als unmöglich verworfen habe. Das gibt mir Kraft und Zuversicht und verleiht mir große Stärke, Dankbarkeit und Vertrauen ins Leben. Und jede dieser Erfahrungen macht mir den Sprung aus der Komfortzone leichter. So vieles kann man erreichen, wenn man sich nur traut.

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